Zur traditionellen Tracht gehört selbstverständlich auch der entsprechende Schmuck. Aber was genau ist eigentlich “entsprechend”. Und was macht den echten Trachtenschmuck aus? Wer trägt ihn, woraus besteht er und woran erkennt man ihn?
Wir haben Christiane Sieb – Gemmologin und Kunsthistorikerin mit Spezialisierung auf antiken Schmuck und vor allem Klüngelkramfreundin – gebeten, uns die Besonderheiten des antiken und echten Trachtenschmucks zu erklären und danken ihr für diesen informativen und interessanten Gastbeitrag:
Ländliche Kleidung bzw. die Kleidung der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung wird im heutigen Sprachgebrauch im Allgemeinen als Tracht bezeichnet. Vor allem die aus der Arbeitskleidung von Bauern und Jägern hervorgegangene nordalpine Volkstracht mit all ihrer regionalen Vielfalt prägt unsere heutige Vorstellung von Tracht, übrigens nicht zuletzt wegen des jährlichen Münchener Oktoberfestes mit all seinen unsäglichen, aber eben auch mit seinen authentischen Gewändern.
Antiker Trachtenschmuck:
Der Begriff des Trachtenschmucks bezeichnet grundsätzlich zur Tracht getragenen Schmuck, wobei dieser aber ursprünglich neben der rein ästhetischen Funktion auch immer etwas über die gesellschaftliche, regionale und religiöse Zugehörigkeit der Trägerin oder des Trägers aussagte. Da Schmuck im bäuerlich-ländlichen Bereich niemals zu alltäglicher Arbeitskleidung, sondern nur zu Kirchgangs- und Festtagskleidung getragen wurde, hatte er auch stets Bezug zu jahreszeitlichen Anlässen oder festlichen Lebensbräuchen.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts herrschte in Europa bzw. im gesamten deutschsprachigen Raum eine autoritär festgelegte Kleiderordnung, wonach farbenfrohe Kleidung und das Anlegen von Schmuck nur höfischen Kreisen erlaubt war. Erst nach Aufhebung dieser Kleiderordnung am Ende des 18. Jahrhunderts war es auch Bauern und Bürgern erlaubt, farbige Kleidung und Schmuck zu tragen. Daher prägten die Formen und der Geschmack des zu dieser Zeit herrschenden Klassizismus den nun entstehenden Trachtenschmuck.
Sehr gut erkennt man dies an der sogenannten Kropfkette – in adligen Kreisen waren ursprünglich mehrreihige, um schlanke Hälse gelegte Colliers, gearbeitet aus Perlen und Diamanten, unter dem Begriff “Collier de Chien” sehr beliebt und verbreitet, denn sie wirkten elegant und verliehen der Trägerin etwas Majestätisches.
Der neu aufkommende Trachtenschmuck ahmte diese Kettenform nach und modifizierte sie zur sogenannten Kropfkette, gearbeitet aus mehrreihigen silbernen Erbsketten mit prächtigen, mit farbigen Glassteinen und Silberfiligran dekorierten Zierschließen. Sehr bald schon erkannte man an der Vielreihigkeit der Kropfkette und der Größe der Zierschließe den Reichtum und gesellschaftlichen Stand der Trägerin in der Dorfgemeinschaft.
Im Salzkammergut wurden die Kropfketten übrigens liebevoll „Godernspreiz’n“ genannt, was etwas holprig mit Gurgelspreizer übersetzt werden kann, denn die großen Schließen wanderten im Laufe des 19. Jahrhunderts vom Nacken nach vorne und lagen dann als wichtiges Zierelement fest auf dem “Kropf”, wodurch die Trägerin automatisch zu einer aufrechten und stolzen Haltung gezwungen wurde. Noch heute sind diese Kropfketten unter Trachtenliebhabern mit das beliebteste Schmuckstück.
Daneben entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts, also sozusagen in der Geburtsstunde des Trachtenschmucks, Ketten, Ringe, Ohrstecker und Armreifen, gerne aufeinander abgestimmt in Form von zusammengehörenden Paruren, gefertigt aus Silber aus Tirol, Granat aus Böhmen und aus alpinem Bergkristall.
Der soziale Status zeigte sich immer sowohl in Größe und Gewicht der Schmuckstücke als auch in Formen und Materialien der Verzierungen: Die Verwendung von Fluss- oder Glasperlen, Taler oder Hornknöpfen und Jagdtrophäen wie Grandln, Hauern und Klauen zeigten dem Eingeweihten Einfluß und Reichtum der Träger(in).
Damals wie heute waren es die echten Materialien, die den Unterschied machten, und auch die seit einigen Jahren zu beobachtende Renaissance des Trachtenschmuckes hat daran nichts geändert.
Unechter Schmuck im sogenannten “Trachten- oder Landhausstil” mag dem flüchtigen Betrachter auf den ersten Blick zwar ähnlich erscheinen – wer genauer hinsieht, erkennt aber die Welten, die zwischen den Originalen und ihren Imitaten liegen, die daher zur Vervollständigung eines hochwertigen Dirndls oder einer echten Tracht völlig ungeeignet sind.
Autorin: Christiane Sieb
Zur Gastautorin:
Die Kunsthistorikerin Christiane Sieb bietet in ihrem Internet Shop DIE HALSBANDAFFAIRE und in ihrem Schwabinger Showroom eine feine, stilsicher zusammengestellte Auswahl an Schmuck aus drei Jahrhunderten, gearbeitet aus Gold, Silber, Perlen, Diamanten und Edelsteinen. Die Gemmologin und Diamantgutachterin hat als verantwortliche Expertin für antiken und modernen Schmuck im führenden deutschen Auktionshandel umfangreiche Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt, bevor sie ihr eigenes Label gründete, um gemeinsam mit einem kleinen Team ihren Kundinnen und Kunden antike Preziosen oder hochwertige moderne Lieblingsschmuckstücke von klarem klassischem oder trendigem Design fachkundig und zertifiziert direkt zu präsentieren. Jedes ihrer Stücke wird dafür in ihrem Online Shop wundervoll in Szene gesetzt, detailliert fotografiert und umfassend beschrieben. Im persönlichen Kontakt zum Kunden werden Wünsche und Ideen gerne umgesetzt sowie Fragen zu Kunst und Kulturgeschichte der Schmuckstücke oder zu Material-, Diamant- und Edelsteinkunde mit Freude diskutiert und liebevoll erläutert.
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